DIE KARWOCHE VON CARMONA: SPIRITUALITÄT, HINGABE UND KULTURERBE

Die Stadt Carmona geht in seiner Karwoche voll und ganz auf. Mit Sorgfalt und Liebe zum Detail werden die Prozessionszüge präsentiert. Die Prozessionen, die in diesen Tagen stattfinden spiegeln nicht nur den Charakter der Stadt wider, sondern auch ihre lange Geschichte und die Herzlichkeit ihrer Bewohner. Die Zeit hat in allen Bruderschaften seine Spuren hinterlassen und man sich den neuen Gegebenheiten angepasst. Dennoch sind noch große Teile der Devotionalien aus alter Zeit erhalten geblieben.

Die Karwoche beginnt mit dem Ende der Woche zu Ehren der Virgen de la Orden Servita. Die Bruderschaft der Servitas trägt ihre Marienfigur ohne Baldachin durch die gewundenen und herrlichen Straßen ihres Stadtteiles. Alle Bruderschaften Carmonas kommen jeden Nachmittag in der Prioratskirche zusammen, um Busse zu tun. Auf ihrem Weg kommen sie an der Haupttribüne vorbei. Die Prozession ist nach sevillanischem Vorbild gegliedert. Die nazarenos, sind nach Insignien getrennt und die Messdiener und Altarbühnen werden von Trägern und Musikkapellen begleitet. Und dennoch ist jede Prozession einzigartig.

Am Palmsonntag bringt die Marienfigur La Esperanza nach den Prozessionen der fünf Gemeinden zu den Klausurklöstern der Stadt Freude auf die Straßen, die von einem Regen aus Blütenblättern begleitet wird. Am Montag der Karwoche ist die Prozession La Amargura an der Reihe. Sie beginnt ihren Lauf am Spitzbogen San Felipe und durchläuft die Außenbezirke und die Altstadt in feierlicher Gefasstheit. Am Dienstag füllt sich der Stadtteil La Juderia mit Mitgliedern der Bruderschaft La Expiración. Diese junge Bruderschaft füllt die Straßen der Stadt mit ihren Saeta Gesängen. Mitte der Woche zeigt die Bruderschaft Quinta Angustia eine halb stille und halb fröhliche Prozession, die in der Straße Atahona seinen Höhepunkt findet. Ähnliches geschieht am Folgetag im Stadtteil Santiago während der Messe In Coena Domini.

Nachdem die Gebäude versiegelt werden und in der Liturgie die Trauer zum Karfreitag ausgerufen wird, macht die Bruderschaft Humildad y Paciencia mit einer kastenförmigen in Trauer gehüllten Altarbühne ihre erste Kreuzwegstation. Ihr folgt die Prozession der Bruderschaft Nuestro Padre, die im Stillen verläuft. Der frühe Abend des Samstags gehört der Bruderschaft Santo Entierro, die von nazarenos oder Büßern aller Bruderschaften begleitet wird. Sie bildet den Abschluss der Prozessionen und geht von der Trauer in die Freude über, um so die Auferstehung Jesu zu feiern.

Ursprünge

Am 11. März 1521 pilgert eine Gruppe von 1500 Bürgern Carmonas nach Sevilla, um die Marienfigur Virgen de la Angustia um Regen zu bieten. Vor ihrer Rückkehr werden sie von den sevillanischen Vertreter der Stadt am Bilderstock Humilladero de la Cruz del Campo verabschiedet. Dieses Ereignis zählt als die älteste Büßerprozession Carmonas.

Alte und neue Bräuche

Bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Altarbühnen oder pasos in Carmona mit Hilfe von Querstreben im Inneren der Bahre auf den Schultern getragen.

Sakralkunst

Eines der bedeutendsten Schätze der Karwoche Carmonas sind ihre religiösen Darstellungen. Es handelt sich hierbei um Christus- und Marienstatuen, sowie andere biblische Figuren aus den Händen der angesehensten Bildhauer Westandalusiens. Heute besitzt die Stadt eine der ältesten Christusstatuen, die an den Prozessionen der Karwoche teilnehmen: die Christusfigur Cristo de la Amargura aus dem Jahre 1521, die dem Künstlers Jorge Fernández Alemán zugeschrieben wird. Ein weiteres Beispiel ist die Skulptur Nuestro Padre Jesús Nazareno im Stil des Spätmanierismus von Francisco de Ocampo aus dem Jahre 1607 und die zum Vorbild dieser Ikonographie wurde.

Blütezeit dieser Sakralkunst ist jedoch der Barock aus dem wichtige Werke von José de Arce, José Montes de Oca, Pedro Roldán, Francisca Roldán, Felipe Duque Cornejo, Benito Hita del Castillo und Manuel García de Santiago erhalten geblieben sind.

Aus der nähern Gegenwart Carmonas stammen Werke lokaler Künstler wie Francisco Buiza und Antonio Eslava, sowie Antonio Castillo Lastrucci.

Bruderschaften

Bruderschaften gebaren sich wie trauernde königliche Gefolgschaft, in denen nazarenos oder Büßer, die sogenannten costaleros oder Träger und Messdiener mit Insignien und anderen Symbolen mit einer langen Tradition die Passionsszenen der Prozessionen begleiten.

Besonders beeindruckend sind der Baldachin des pasos der Bruderschaft Los Nazarenos von 1698 und die Holzverzierungen die Altarbühne Santo Entierro, die zu den Reliquien der Bruderschaften gehoert. Gleichermaßen sehenswert sind die Standarte Simpecado der Bruderschaft La Expiración, der Umhang der Mariengfigur Virgen de la Paciencia aus dem 19. Jahrhundert von den Antúnez Schwestern. Auch zu erwähnen sind die filigranen Soffitten des Baldachins des pasos Virgen de la Angustias aus dem Handwerksbetriebs Olmo aus dem Jahre 1930, die als erstes mit dieser Technik hergestellt wurden.

Monumente

Kirchen und Klöster haben die Tradition bewahrt nach der Messe In Coena Domini am Gründonnerstag das Allerheiligste öffentlich zugänglich zu machen. Hier kann man einen ständigen Besucherstrom beobachten. Besonders oft sieht man Frauen mit Mantille. Die Sakralkunst im Inneren der Kirchen ist aufwendig mit Blumen und Kerzen geschmückt.